Wohlstand in Österreich nimmt weiter ab

Die Arbeiterkammer Wien hat soeben ihren Wohlstandsbericht 2024 veröffentlicht:
https://wien.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/wirtschaft/betriebswirtschaft/AK-Wohlstandsbericht_2024.pdf

Wesentliche Resultate:

  • Die Folgen der letzten Krisen wirken sich negativ auf unseren Wohlstand aus. Die soziale Lage hat sich deutlich zugespitzt, viele Menschen sind in die Armut abgerutscht und können sich Grundbedürfnisse wie Wohnen und Heizen nur mehr schwer leisten. Gleichzeitig ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt angespannt, und die steigenden Arbeitslosenzahlen stehen einem nicht gedeckten Fachkräftebedarf gegenüber.
  • Die Vermögenskonzentration gemessen am Vermögensanteil der reichsten 5 % liegt bei 53,5 %. Das bedeutet, dass die reichsten 5 % mehr Vermögen besitzen als die restlichen 95 % der Bevölkerung zusammen.
  • Kein anderes westeuropäisches Land weist eine höhere Ungleichheit auf.
  • Vermögen wurden von der Regierung auch in den vergangenen Krisenjahren trotz der sozialen und finanziellen Herausforderungen nicht angetastet.
  • Die mangelnde Berücksichtigung von Vermögen im österreichischen Steuersystem ist bemerkenswert: Nicht einmal 2 % des Steueraufkommens kommen aus Vermögen, hingegen fast 80 % aus Arbeit und Konsum.
  • Die Einführung einer Vermögensteuer ist essenziell, um das Vermögenswachstum bei den Reichsten einzubremsen.
  • Eine Erbschaftsteuer mit hohen Freibeträgen und stark progressiven Sätzen könnte die Vermögensungleichheit für zukünftige Generationen nachhaltig verringern.
  • Erhebungen zeigen, dass drei Viertel der Bevölkerung die Vermögensunterschiede in Österreich als zu hoch empfinden.

Die gerechte Verteilung von Einkommen und Vermögen, gute Arbeit mit anständigen Löhnen, verkürzter Wochenarbeitszeit und verbesserten Arbeitsbedingungen, der soziale und ökologische Umbau der Wirtschaft, ein starker Sozialstaat, die Gleichstellung von Frauen und Männern sowie die demokratische Teilhabe müssen in Österreich zur Selbstverständlichkeit werden.

Regierung veröffentlicht aufrüttelnden Sozialbericht 2024

Unsere Regierung hat den Sozialbericht 2024 des BMSGPK veröffentlicht:
https://www.parlament.gv.at/dokument/XXVII/III/1146/imfname_1621786.pdf

Darin finden sich erstaunliche Fakten zur Vermögensverteilung in Österreich. Zusammengefasst:
Viele Leistungen des Sozialstaats kommen überproportional den Vermögenden zugute (Förderungen, die an Eigentum am Hauptwohnsitz geknüpft sind, Subventionen für Energiewende, Wertsteigerungen von Immobilien durch Ausbau öffentlicher Infrastruktur, usw.).

„Tatsächlich hat die untere Hälfte in der Vermögensverteilung aber nur einen minimalen Anteil von 4,6 Prozent am gesamten privaten Vermögen. Gerade die untere Hälfte der Bevölkerung, die keine Immobilien oder Unternehmen ihr Eigen nennt, bleibt in Verteilungsdebatten oft unsichtbar.“
(Sozialbericht 2024 Band II, Abschnitt 4, Seite 293).

„Die Sparfähigkeit bei Mieterhaushalten ist so gering, dass durch die eigene Arbeitsleistung nicht einmal das für eine Kreditaufnahme für Wohnungseigentum notwendige Eigenkapital aufgebaut werden kann.“
(Sozialbericht 2024 Band II, Abschnitt 4, Seite 307).

Über Mietzahlungen „überweist die besitzlose Hälfte des Landes ein Drittel bis ein Viertel ihres monatlichen Einkommens an die reichsten Haushalte. Eine gigantische Umverteilung von unten nach oben. Monat für Monat.“
(Zitat Barbara Blaha im Standard, https://www.derstandard.at/story/3000000215599/mythos-mitte-der-kaputte-kompass-der-politik)

„Es ist rational nicht erklärlich, warum Einkommen aus Arbeitsleistung hoch besteuert werden sollen, während gleichzeitig leistungslose Einkommen aus der Bodenrente, aus Erbschaften und Vermögenszuwächsen nicht oder wenig besteuert werden.“
(Sozialbericht 2024 Band II, Abschnitt 4, Seite 321).

Die Regierung weiß also doch, wie ungleich es um unseren Wohlstand steht!
Wann tut sie endlich etwas?

Welche Theorie erklärt die wachsende Ungleichheit?

In der aktuellen Oxfam Studie „Inequality Inc“ zur wachsenden sozialen Ungleichheit wird ein sehr anschauliches Beispiel gezeigt:

„Die fünf wohlhabendsten Männer der Welt – dazu zählen etwa der Tesla-Chef Elon Musk und Amazon-Gründer Jeff Bezos – haben ihr Vermögen seit 2020 von 405 Milliarden US-Dollar auf 869 Milliarden US-Dollar mehr als verdoppelt.
Im selben Zeitraum haben die ärmeren 60 Prozent der Welt, mehr als 4,7 Milliarden Menschen, 20 Milliarden US-Dollar verloren.“

Die meisten Modelle der traditionellen Wirtschaftslehre können diese Fakten nicht erklären.
Sie nehmen irrigerweise an, dass sich das Vermögen einer einzelnen Person an den Mittelwert des Gesamtvermögens aller Personen zu einem bestimmten Zeitpunkt annähern würde (sog. ergodische Hypothese) und somit langfristig stabil sei.
Die Fakten der Realität (wie auch in dieser Oxfam Studie) zeigen aber laufend, dass diese Annahme bei einem multiplikativen Prozess wie der Vermögensentwicklung falsch ist. Das Vermögen einer einzelnen Person nähert sich nur dem Erwartungswert über die individuelle Zeitachse und der ist für die meisten leider negativ, wenn es keine ausreichende Umverteilung in der Form von Vermögen- und Erbschaftsteuern gibt.

Das Wesen lebender Systeme und des Kapitalismus ist multiplikativer Natur: Kapital wird dazu eingesetzt, mehr von sich selbst zu erzeugen. Solche Systeme werden besser durch die Theorie der Geometrischen Brownschen Bewegung erklärt.

Das kann man gut in unserem Simulationsmodell nachvollziehen:
Warum werden Reiche immer reicher?
Wir erkennen, dass eine Steigerung des allgemeinen Bruttosozialprodukts keinesfalls dazu führt, dass alle Menschen reicher werden.

Ole Peters, der die mathematischen Grundlagen dafür entwickelt hat, schreibt dazu:
„In der Ökonomie des multiplikativen Vermögens – des Kapitalismus – können wir 3 Alternativen beobachten:“

  • Wenn wir nichts tun, wächst die Ungleichheit ins Unendliche.
  • Wenn wir schnell genug umverteilen, kann sich die Ungleichheit auf einem bestimmten Level stabilisieren.
  • Wenn wir jedoch aktiv destabilisieren, wie wir es offensichtlich in den letzten Jahren getan haben, verschwindet der Mittelstand. Eine arme Person, die brav wirtschaftet, wird dann immer ärmer und kann nie mehr zum Mittelstand aufsteigen. Ebenso wird eine reiche Person, die sich vernünftig verhält, automatisch immer reicher werden und nie mehr in den Mittelstand absteigen können.

Siehe auch:
Wealth: redistribution and interest rates
DerStandard: Reiche werden reicher

Europäische Zentralbank publiziert neue Verteilungsdaten

Per 8.1.2024 hat die Europäische Zentralbank neues Datenmaterial über die Vermögensverteilung in Europa publiziert.
Siehe z.B.: Top 5% share of net wealth of households
Demnach scheint die Ungleichheit bei den Vermögen der Haushalte doch größer zu sein, als bisher angenommen. Österreich ist dabei Spitzenreiter:
(siehe dicke blaue Linie in dieser Grafik oben für Österreich im Vergleich zum rot strichlierten europäischen Durchschnitt.)

Auch der Standard hat darüber berichtet:
Die reichsten fünf Prozent halten mehr als die Hälfte des Vermögens

Laut Arbeiterkammer-Ökonom Matthias Schnetzer ist die Bedeutung von Erbschaften für die Anhäufung von Vermögen im Vergleich zu Arbeitseinkommen in keinem untersuchten europäischen Land größer als in Österreich.